Palimpseste in der Kirche vom heiligen Grab, Jerusalem (Foto: Otto 2019)

Palimpsest: Maskulin, auch Neutrum, von lateinisch palimpsestus, altgriechisch πάλιν palin „wieder“ und ψάειν psaein „reiben, (ab-)schaben“) bezeichnet eine Manuskriptseite oder -rolle, die beschrieben, durch Schaben oder Waschen gereinigt und danach neu beschrieben wurde (lat. codex rescriptus).

Der Begriff wurde bereits in Antike und Mittelalter verwendet. Es ist der Vorgang des Wiederbeschreibens, den man – entgegen der etymologischen Bedeutung – als Palimpsestieren bezeichnet.

Die Technik des Palimpsestierens wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehrmals als Metapher für geistige und kreative Prozesse verwendet. Der englische Schriftsteller Thomas De Quincey beschreibt 1848 in seinem Werk Suspiria de Profundis den menschlichen Geist als Palimpsest:

„Was Anderes als ein natürliches und mächtiges Palimpsest ist der menschliche Geist? Solch ein Palimpsest ist mein Geist; solch ein Palimpsest, O Leser! ist der Deinige. Immerwährende Schichten von Ideen, Bildern, Gefühlen sind auf deinen Geist gefallen so sanft wie das Licht. Jede Abfolge [von Gedanken] verbrannte scheinbar alles was vorher war. Und doch wurde in Wirklichkeit keine Einzige ausgelöscht.“

Dieser Auffassung des Begriffs befleißigt sich auch der vorliegende Webauftritt in Bezug auf Wissenschaft, Kunst und das Individuum. Abhängig voneinander ist alles im Wandel. Stets neu, ist das Vergangene jedoch niemals vergangen.