„Lass kein Ehrenamt Dir geben / Willst Du nicht zu früh ins Grab / lehne jedes Amt glatt ab“
[Wilhelm Busch]

Sich neben mühseliger Erwerbsarbeit auch noch ein finanziell unhonoriertes Ehrenamt aufzuhalsen, sah der Dichter und Comiczeichner Wilhelm Busch nicht ein. Das mag wohl nicht zuletzt daran gelegen haben, dass der Künstler viele Jahre unter prekären Verhältnissen ohne regelmäßiges Einkommen sein Dasein fristete, bevor er als Popstar in der damaligen Kulturszene einen Durchbruch erlebte, der ihn auch finanziell konsolidierte.

Gesellschaftliches Engagement gibt es spätestens seit der Antike. Da im Alten Griechenland die überwiegende Arbeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes von Sklaven verrichtet wurde, war es den freien Bürgern vergönnt, sich dem Gemeinwesen zu widmen. Dazu gehörte beispielsweise politisches Engagement und die Teilnahme an Versammlungen und Abstimmungen. Jeder konnte sich gemäß seiner Befähigungen und Interessen einbringen, was unmittelbare Voraussetzung der attischen Demokratie war. Wer sich den gemeinschaftlichen Aufgaben verweigerte, galt als Privatmann, als sogenannter ideótes. Bereits Perikles urteilte über solch ein unsoziales Verhalten im fünften vorchristlichen Jahrhundert: „Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller, sondern ein schlechter Bürger.“

In den heutigen Leistungsgesellschaften des Westens beschränkt sich die Möglichkeit, ein Ehrenamt auszuüben, oftmals auf die Zeit nach dem Renteneintritt. Zwar gibt es auch einige jüngere Menschen, die neben ihrer Erwerbsarbeit für die Allgemeinheit tätig werden, indes lässt die heutige Arbeitswelt derlei nicht mehr unbedingt zu. Meinem Vater war es seinerzeit noch möglich gewesen, sich als Schuldirektor auch im Stadtrat, Kirchenrat und in einigen Vereinen einzubringen, meiner Generation ist derlei nur noch ausgesprochen eingeschränkt möglich. Zu arbeits- und zeitintensiv sind die Herausforderungen, der ständige Anpassung und Optimierung verlangenden Arbeitswelt der Gegenwart geworden.

Trotz der unverkennbar schlechten Voraussetzungen, die unsere Leistungsgesellschaft dem Ehrenamt angedeihen lässt, engagiert sich immernoch jeder Dritte in der Bundesrepublik in einem Ehrenamt. Viele Bereiche des öffentlichen und sozialen Lebens würden ohne Ehrenamtliche nicht mehr existieren. Allerdings ist diese noch recht positive Situation fraglos dem demografischen Wandel und der damit verbundenen Überalterung unserer Gesellschaft geschuldet: der Anteil der ehrenamtlich tätigen Pensionäre, die noch im Genuss einer sicheren Rente sind, ist bezogen auf die Gesamtbevölkerung recht hoch. Das wird sich in der Zukunft ändern. Überlastete Absicherungssysteme könnten weite Teile der Bevölkerung der Altersarmut überantworten. Statt ehrenamtlichen Engagements, müssten sich die Senioren der Zukunft dann mit bezahlten Jobs über Wasser halten.

Hoffen wir also, dass unsere Politik die Brisanz dieses Themas erkennt. Vielfach ist das bereits geschehen. Auch die Arbeit für den Ostfriesischen Kunstkreis ist von gesellschaftlicher Relevanz. Auf die Bedeutung von Kunst für unsere Zivilgesellschaft wurde ja bereits in den zurückliegenden Folgen dieser Kolumne eingegangen. Also scheuen Sie sich nicht: Bringen Sie sich in Ihrem Gemeinwesen ein, ganz wie es Ihren Talenten und Fähigkeiten entspricht. Und Sie werden sehen: Wer dem Gemeinwohl dient, wird selber Freude erleben.

Dr. Knottos Koole Kunst Kolumne, April 2022