„Willst du für ein Jahr vorausplanen, so baue Reis. Willst du für ein Jahrzehnt vorausplanen, so pflanze Bäume. Willst du für ein Jahrhundert planen, so bilde Menschen.“
[Zhuāngzǐ]

Der Gelehrte aus dem vierten vorchristlichen Jahrhundert (365-290), der durch philosophische Schriften, etwa dem Buch vom südlichen Blütenland, nicht zu unterschätzende Bedeutung in der daoistischen Überlieferung Chinas erlangte, lebte in einer Epoche großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche. In der Zeit der streitenden Reiche bekriegten sich mehrere Fürstentümer über Jahrhunderte bis aufs Blut. Schließlich unterwarf das Reich Qin die übrigen und einte China unter dem despotischen Kaiser Qin Shihuangdi. Die Epoche des Gemetzels war bemerkenswerterweise auch eine Zeit bahnbrechender Erfindungen und großer Ideen, weshalb man auch von der Zeit der hundert Schulen spricht.

Zhuāngzǐ betrachtete ebenso wie der von ihm abgelehnte Konfuzius Bildung als Bedingung einer funktionierenden Gesellschaft. Denn mit zunehmender Bildung wächst auch das Verständnis von Zusammenhängen und damit wahre Erkenntnis. Bildung ist daher nicht mit Auswendiglernen und reiner Information zu verwechseln, ihre Grundfeste besteht vielmehr im kenntnisreichen Verknüpfen von Sachverhalten. Außerdem ist anhand des deutschen Begriffs das Prozesshafte und Kreative wahrer Bildung ersichtlich, das Bildnerische eben. Es geht ja im Kern darum, sich ein Bild von der Welt zu machen. Ein wahrhaftiges Kunstwerk sozusagen.

Bildung ist also nicht Wissen, obwohl Bildung Wissen voraussetzt. Dieses Wissen muss aber nicht zwangsläufig akademischer Natur sein. Dafür steht etwa der Begriff der Herzensbildung, der unter anderem Freundlichkeit, Einfühlungsvermögen und Taktgefühl beinhaltet. Bildung wird ferner mit sogenannten Bildungsanstalten assoziiert, also beispielsweise Schulen, Universitäten und dergleichen. Zwar können solche Einrichtungen im besten Falle Gärten der Bildung sein, allerdings belegen zahlreiche Beispiele, dass dem oft ganz und gar nicht so ist. Häufig geht es dort sogar genau um das Gegenteil von Bildung, nämlich um tumbes Auswendiglernen nutzloser Information sowie eingeschränkten Spezialwissens, das den Blick verstellt, anstatt ihn zu weiten. Zhuāngzǐ weiß in diesem Zusammenhang übrigens eine ganz passende Geschichte zu erzählen: „Dschu Ping Mau gab sein ganzes Vermögen dafür hin, von Meister Dschi Li Yi das Drachentöten zu erlernen. Nach drei Jahren war er in dieser Kunst bewandert, doch gab es nirgends eine Gelegenheit, seine Geschicklichkeit zu zeigen.“

Bildung sollte daher einerseits immer dem Anspruch der Vielseitigkeit folgen, wie es etwa Johann Wolfgang von Goethe lebte und lehrte. Und Bildung sollte andererseits stets der Menschheit verpflichtet sein. Im humanistisch geprägten Humboldtschen Bildungsideal gehen diese beiden Ansprüche Hand in Hand. Bildung wird hier ganzheitlich verstanden, als Weg des Menschen zu sich selbst durch das Blütenland des Allgemeinwohls. Herz, Charakter und Verstand erkennen Zusammenhänge, die uns ein besseres Morgen weisen.

Dr. Knottos Koole Kunst Kolumne 17 (Mai 2023)