„Der größte Lump im ganzen Land,
das ist und bleibt der Denunziant.“
[Hoffmann von Fallersleben]

Wer weiß schon, dass 1999 ein Asteroid im Planetoidengürtel zwischen Mars und Jupiter nach dem Dichter und Germanist benannt wurde. Kann schon sein, dass man bei der Benennung des Himmelskörpers die unfreiwilligen Wanderjahre Hoffmanns von Fallersleben (1798-1874) vor Augen hatte.

Denn der politische Literat wurde aufgrund seiner liberalen Gesinnung und seines Eintretens für ein vereintes bürgerliches Deutschland ohne Anspruch auf eine Pension von der preußischen Regierung schlankerhand seines Amtes als Hochschullehrer enthoben. Und als sollte dies nicht schon genug sein, wurde ihm anschließend auch noch die preußische Staatsbürgerschaft aberkannt, worauf er ziellos durch deutsche Lande irrte und bei Freunden unterkam. Bespitzelt und denunziert verwies man ihn insgesamt 39mal des Landes.

Kunst ist eigentlich immer eine Sache der Weltanschauung, wenn nicht sogar der großen Politik. Selbst das naive Gemälde mit dem röhrenden Hirsch gründet auf sozio-kulturellen Überzeugungen, die kommuniziert werden. Nun ist es nicht erst seit Fallersleben eine beliebte Beschäftigung der Angepassten und Phantasielosen, Idealisten und Visionäre anzuschwärzen.

Der Denunziant erstattet bei der dem Denunzierten übergeordneten Institution aus niedrigen Beweggründen Anzeige, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Das unterscheidet ihn übrigens vom Whistleblower, der aus Gründen des Allgemeinwohls auf Missstände verweist. Wer einen Mord, einen Diebstahl oder ein sonstiges Verbrechen anzeigt, wird ebenfalls nicht als Denunziant betrachtet werden.

In der jüngeren deutschen Geschichte ist Denunziation vor allem in den Unrechtsregimen der Nazis und der DDR gang und gäbe gewesen. In der Kunst spielte sie eine nicht geringe Rolle. Die damals ausgesprochen erfolgreiche Propagandaaustellung „Entartete Kunst“ wurde 1937 von den Nationalsozialisten in den Münchner Hofgartenarkaden gezeigt. Vorausgegangen war die Diffamierung bedeutende Künstlerinnen und Künstler. Wegweisende Kunststile, etwa Expressionismus, Dadaismus, Surrealismus und Neue Sachlichkeit wurden als kulturbolschewistisch und volkszersetzend gebrandmarkt.

In der DDR war Denunziation bekanntlich durch die Staatssicherheit und ihre inoffiziellen Schergen an der Tagesordnung. Auch hier sollte nicht zuletzt Kunst auf Linie im Sinne eines sozialistischen Realismus gebracht werden. Denn die Wirkmacht von Kunst und Kultur war den menschenverachtenden Regimen stets bewusst und Ziel ihrer Einflussnahme.

Klatsch und Denunziation sind auch heute noch weit verbreitet. Und nach einigen Jahren der verhältnismäßigen Abstinenz, die auf den unseligen oben beschriebenen Erfahrungen der Deutschen gründet, scheint sie gegenwärtig wieder salonfähig zu werden. Zumeist sind Neid und Missgunst ausschlaggebende Motive.

Denunziation geht an eine übergeordnete Instanz, von der der Denunziant sich Sanktionen gegenüber dem Denunzierten erhofft. Offenbar geben Minderwertigkeitsgefühle und der Wunsch nach Anerkennung den Anlass. Bemerkenswert ist auch, dass die Inhalte der Denunziation oft belanglos sind, aber trotzdem gleichsam hohe Wellen schlagen.

 

Dr. Knottos Koole Kunst Kolumne 16 (April 2023)