„Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit.“ [Friedrich Schiller]

In den Tagen Friedrich Schillers war Freiheit bekanntlich ein rares Gut. 1782 floh der junge Mediziner, der im Dienste des Württemberger Landesherrn Herzog Karl Eugen eine Tätigkeit als Militärarzt ausübte, nach Thüringen. Grund war drohende Festungshaft und Schreibverbot aufgrund einiger respektloser Gedichte und anschließender Fahnenflucht. Diese Flucht allerdings war Initialzündung für eine beispiellose Karriere als Schriftsteller und Popstar. Zeit seines Lebens beschäftigte Schiller sich mit dem Freiheitsbegriff, was zweifelsohne auch auf den Zeitgeist seiner Epoche gründet und den Umständen der Französischen Revolution geschuldet ist, die damals die Gemüter europaweit bewegte: Liberté, Égalité, Fraternité!

Lange sollte es noch dauern, bis Kunst und Wissenschaft sich vollständig von staatlichen Repressionen befreien konnten. Gerne wird in diesem Zusammenhang die Zeit des Nationalsozialismus bemüht, in der Bücher verbrannt und Nonkonformistisches als entartet gebrandmarkt wurde, wenn man nicht gar deren Urheber ermordete. Aber auch in der Gegenwart wird in vielen Staaten der Welt zensiert und verächtlich gemacht, was nicht den staatlichen Vorgaben entspricht und im schlimmsten Falle auch noch systemkritisch in Erscheinung tritt, so etwa in vielen arabischen Ländern, in Russland und Nordkorea, um hier nur eine kleine Auswahl zu nennen. Kritische Kunst ist in diesen Ländern kühnes Mittel der Befreiung, welches Missstände aufdeckt und Alternativen entwirft.

Heute ist die Kunstfreiheit zumindest hierzulande fest im Grundgesetz verankert. Und zwar in Artikel 5, in dem das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung festgeschrieben ist. Jeder hat demzufolge das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Pressefreiheit und Freiheit der Berichterstattung sind gewährleistet, ebenso die Abwesenheit von Zensur. Einschränkungen erfahren diese Grundrechte allerdings durch die Vorschriften allgemeiner Gesetze sowie den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und im Recht der persönlichen Ehre.

In Absatz 3 geht es dann explizit um die Freiheit von Kunst und Wissenschaft. Dort heißt es: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Und das ist auch gut so. Denn die Freiheit besteht darin, dass man alles tun kann, was einem anderen nicht schadet. Dieser Grundsatz findet sich übrigens bereits in Artikel 4 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen aus dem Revolutionsjahr 1789.

Wer dieser Tage in unserem Land vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie indes behauptet, es gäbe keine Kunst- und Meinungsfreiheit mehr, der irrt gewaltig. Selbstverständlich existieren Mehrheitsmeinungen, sogenannte hegemoniale Diskurse, die Deutungshoheiten darstellen. Das war schon immer so. Und selbstverständlich ist nicht alles an den staatlichen Maßnahmen vernünftig und logisch nachvollziehbar. Daraus allerdings die Existenz einer staatlichen Zensur herzuleiten, wie man sie aus Diktaturen kennt, ist zu kurz gedacht. Und wer bei entsprechenden Demonstrationen mit Judensternen und Maulkorb auf sich aufmerksam macht, ist nicht nur dumm, sondern gefährlich, weil er damit autoritäre Gesellschaften (siehe oben) verharmlost, in denen noch heute Menschen aufgrund ihrer Meinung, Religion und Weltanschauung gefoltert und hingerichtet werden. Freuen wir uns lieber darüber, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der jeder sagen kann, was er denkt – nicht zuletzt durch künstlerischen Ausdruck. Wachen Geistes sollten wir dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Denn wahre Kunst befreit.

Dr. Knottos Koole Kunst Kolumne, Februar 2022